Die jagdliche Retrieverarbeit
Retriever wurden hauptsächlich als Wasser- und Apportierhunde für Flugwild gezüchtet.
Daher sollten sie sich auszeichnen durch:
- weiches Maul
- Wasser- und Arbeitspassion
- sowie Standruhe
Zwei im Jagdeinsatz bedeutsame retrievertypische Arbeitsweisen der Retriever sind das Merken (marking) und das Einweisen (blind retrieves).
Ein gut veranlagter Retriever, dessen Merkfähigkeit trainiert wurde, kann sich an mehrere Fallstellen von Flugwild, das für ihn sichtig beschossen wurde, erinnern. Nachdem er ruhig neben dem Führer gewartet hat, läuft er auf Kommando direkt zum zu apportierenden Wild und bringt dieses ohne die zeitraubendere, weiträumige Suche.
Beim Einweisen wird der gut lenkbare Retriever dagegen durch Handzeichen, wenn möglich auf direktem Wege, zu für ihn nicht sichtig gefallenen Stücken geschickt. Bei unmittelbar erlegten Stücken können diese sofort apportiert werden, im Falle von kranken Stücken muss er dagegen vorher das Geläuf/die Fährte ausarbeiten.
Einsatzmöglichkeiten
Eine Besonderheit vieler Retriever, die sich aus dem sprichwörtlich "weichen Maul" ergibt, ist die Tatsache, dass v. a. Friedwild lebend gebracht wird. Auch muss der interessierte Jäger wissen, dass beileibe nicht alle Retriever Raubwild(zeug)schärfe besitzen - was allerdings gelegentlich auch das Alltagsleben erheblich vereinfacht.
Auf Grund des ruhigen, konzentrierten Arbeitsstils werden Retriever, bedingt durch die hiesigen jagdlichen Erfordernisse, auch häufiger zu Nachsuchen auf Schalenwild eingesetzt. Für die in der Praxis hauptsächlich anfallenden Totsuchen sind sie in jedem Falle geeignet. Ein Teil der Retriever zieht auch krankes Wild nieder. Spurlaut sind diese Hunde allerdings so gut wie nie, während es kein Problem ist, ihnen das Verweisen beizubringen.
Ein häufiger Grund für Jäger, sich für einen Retriever zu entscheiden, ist die Tatsache, dass die meisten dieser Hunde verhältnismäßig leicht auszubilden und zu führen sind. Ein "starkes Bedürfnis, dem Führer Freude zu bereiten," (will to please) ist teils sogar ausdrücklich im Rassestandard gefordert. Dies hat dazu geführt, dass in diversen Linien durch entsprechende Zuchtwahl Eigenschaften wie Führigkeit und Arbeitspassion in gleichem Maße gefördert wurden (überbetonte Passion gepaart mit wenig Führigkeit gilt genauso als fehlerhaft wie mangelnde Passion gepaart mit ausgeprägter Führigkeit).
Dennoch muss man sich klarmachen, dass sich auch ein leichtführiger Hund nicht von selber erzieht, selbst wenn man gelegentlich erstaunt ist, was diese Tiere einfach dem Führer zuliebe tun.
Besonderheiten einzelner Schläge und Rassen
Auch wenn es in der einschlägigen Literatur nicht immer klar zum Ausdruck kommt: Insbesondere die Labrador, aber auch die Golden Retriever werden im Ursprungsland England seit diversen Jahrzehnten in zwei Schlägen gezüchtet, die sich deutlich unterscheiden und dort selten gekreuzt werden - zum einen gibt es Arbeits- oder "Field Trial"-Linien und zum anderen Ausstellungs- oder Showlinien. Auf dem Kontinent dagegen bemühen sich die Zuchtverbände um einen einheitlicheren, den "Dual Purpose Typ", d. h. Arbeitshunde mit nicht ausreichendem Formwert erhalten keine Zuchtzulassung, und auch der Erhalt von Arbeitsanlagen soll in der Zucht berücksichtigt werden. Trotzdem gibt es eine gewisse Bandbreite, und Kaufinteressenten sollten sich daher unbedingt schon im Vorwege darüber klar werden, wo ihre Vorlieben liegen.
Hunde aus reinen Arbeitslinien sind grundsätzlich leichter gebaut und beweglicher, häufig sind sie stärker auf ihren Führer bezogen und an Fremdpersonen weniger interessiert. Darüber hinaus sind sie optisch sehr gut lenkbar/beeindruckbar und besitzen oft viel "style" und "will to please" (Merkmalkomplexe, die v. a. die Art zu arbeiten beschreiben und die man einfach "in natura" erlebt haben muss, um sie zu erkennen).
Aber auch rein aus Showlinien gezogene Retriever können gute Jagdhunde sein. Wer hier seine Vorlieben entwickelt hat und sich nicht nur auf sein Glück verlassen möchte, sollte sich an selber jagende Züchter halten, deren Hunde auch tatsächlich leistungsgeprüft sind. Dann hat man alle Chancen, einen solide arbeitenden Hund zu erwerben.
Bei denjenigen Rassen, die vorrangig für Gesellschaftsjagden gezüchtet wurden, wurde großer Wert auf Verträglichkeit in Bezug auf Artgenossen und Mitjäger gelegt; kurzum auf unkomplizierter Jagdbegleiter, die keine Nerven kosten, weil sie vielleicht auch ein bisschen "everybody's darling" sind. Bei Rassen, die dagegen mehr für die Einzeljagd geschaffen wurden, treten in stärkerem Maße Eigenschaften wie Schutztrieb und Territorialverhalten - bis vielleicht sogar hin zur Mannschärfe - in den Vordergrund. Jäger, die mit der Anschaffung eines Retrievers als Jagdbegleiters liebäugeln, sollten sich daher vorher intensiv mit den spezifischen Rasseeigenschaften beschäftigen und dann erst die für sie wirklich passende Wahl treffen.